STELLUNGNAHME zur Anhörung im Sächsischen Landtag „Clubkultur in Sachsen vor dem Aus schützen”

26.09.2025

STELLUNGNAHME zur Anhörung am 29. September 2025 im Sächsischen Landtag „Clubkultur in Sachsen vor dem Aus schützen: Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der kulturellen Vielfalt jetzt ergreifen!“


Bedeutung der sächsischen Clubkultur

Clubs und Livemusikspielstätten sind kuratierte Orte für Live-Darbietungen von Künstler:innen, besonders für den Nachwuchs. Sie tragen wesentlich zur kulturellen Vielfalt und Standortattraktivität Sachsens bei. Anders als Diskotheken sind Clubs keine Vergnügungsstätten, sondern Orte kultureller

Zwecke. Dies hat der Bundestag bereits im Mai 2021 mit seinem Entschließungsantrag zur Änderung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) unmissverständlich festgestellt und ihnen den Status kultureller Einrichtungen zugesprochen, die somit ebenso schützenswert sind,

wie Theater, Opern oder Museen.

Clubs und Livemusikspielstätten:

● stellen einen wichtigen Baustein des lokalen Kulturangebots dar,

● sind kreative Experimentierräume und Innovationsmotoren,

● werden von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen genutzt,

● schaffen kulturelle Teilhabe und fördern Dialog, Integration und Demokratie,

● zeichnen sich durch intrinsische soziale und kulturelle Motive aus.


Sachsen weist unter den Flächenländern die höchste Dichte von Clubs und Livemusikspielstätten auf, die ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor:

Kreativwirtschaftsbericht Sachsen 2022

● 224,5 Mio. € Umsatz

● ca. 5.000 Erwerbstätige plus unzählige Ehrenamtliche

Leipziger CLIV-Studie 2024

● 129 Spielstätten allein in Leipzig

● 16.500 Events pro Jahr mit 2,2 Mio. Besucher:innen

● 47 Mio. € Umsatz (80 % bleiben in Leipzig)

● induziert zusätzliche wirtschaftl. Aktivitäten in Höhe von 36,6 Mio. Euro und 551 vollzeitäquivalente Arbeitsplätze Die indirekten Effekte – Tourismus, Fachkräftebindung, Stadtentwicklung – dürften sich auf mehrere hundert Millionen Euro jährlich summieren. Eine landesweite ökonomische

Studie fehlt bislang.

Aktuelle Lage: Prekär und existenzbedrohend

“Seit Eröffnung im Jahr 2017 operieren wir stets am Rande der Rentabilität. Anders lässt sich ein qualitatives Programm in einem möglichst sicheren

Raum zu noch bezahlbaren Preisen und bei zumutbaren Arbeitsbedingungen leider nicht anbieten. Doch Post-Corona-Effekte und die Auswirkungen der Rezession sind derart langwierig und einschneidend, dass wir uns in einer massiven finanziellen Schräglage befinden. Verhindert werden konnte die Schließung bisher nur dank der Leidensfähigkeit der Beschäftigten und der Solidarität der Szene. Doch beides ist endlich! Wir möchten unserem

Kulturauftrag nachkommen und weiterhin ein möglichst inklusives und innovatives Programm anbieten. Doch ohne weitere substantielle

Unterstützung wird uns bald die Puste ausgehen und das objekt klein a als Ort und Idee verloren sein.”

Felix Buchta, Geschäftsführer des objekt klein a in Dresden, vielfach ausgezeichnet mit dem APPLAUS Spielstättenprogrammpreis


Die sächsische Clubstruktur hat in den letzten Jahren massiv an Stabilität eingebüßt und kann sich nur mit großen Anstrengungen über Wasser halten.


Eine LISA-Umfrage (2024/25) unter 21 Clubs und Spielstätten zeigt:

Über 75 % bewerten ihre Lage als negativ, angespannt oder existenz-bedrohend. Clubschließungen nehmen bundesweit wie auch in Sachsen deutlich zu und ereilen auch Leuchtturmprojekte wie das weltweit renommierte und vielfach ausgezeichnete Institut für Zukunft (IfZ) in Leipzig.

Größte Probleme: Kostensteigerungen (Gagen, Energie, Mieten, Löhne) und geringere Umsätze (Eintritt, Gastronomie) durch ein verändertes Ausgehverhalten seit der Pandemie sowie infolge des gesamtwirtschaftlichen Abschwungs.

  • Kaum eine Spielstätte verfügt über Rücklagen. Es muss erheblich mehr unentgeltliche / ehrenamtliche Arbeit geleistet werden. Finanziell wie personell droht die Überlastung. Standortunsicherheit: Nur wenige der Spielstätten besitzen ihre Immobilie. Auflagen und unsichere Mietverhältnisse erschweren den Betrieb.

  • Rückforderungen von Corona-Hilfen durch die SAB sowie die Ablehnung von Nachberechnungen erhöhen den finanziellen Druck und verschärfen

  • das Risiko von Insolvenzen massiv.

    Die Folgen für Sachsen sind dramatisch

Ohne Clubs wird Sachsen eintöniger, unattraktiver und wirtschaftlich schwächer, denn:

● Nachwuchskünstler:innen verlieren ihre Bühnen; das bringt das gesamte Ökosystem der Populärmusik in Sachsen ins Wanken.

● Brain Drain: Junge Fachkräfte und Kreative wandern ab bzw nicht im nötigen Maße nach Sachsen ein.

● Räume für Begegnung, Inklusion, Erholung, Inspiration und kulturelle Innovation verschwinden irreversibel.


Handlungsbedarf und politische Vorbilder

Einmal geschlossene Clubs und Livemusikspielstätten sind oft irreversibel verloren, ohne dass gleichwertiger Ersatz – selbst in günstigeren Zeiten für Clubkultur – wiederherstellbar wäre. Oft handelt es sich um Orte, die in einer Zeit weit weniger angespannter Immobilien- verfügbarkeit entstanden, die sich derart nicht wieder ereignen wird.

Der Kampf ums Überleben der Spielstätten spiegelt einen bundesweiten Trend wider, wie auch Studien des Bundesverbands LiveKomm belegen, der bereits Ende 2024 alarmierte, dass über die Hälfte der Clubs (mehr) Fördergelder benötigen, “um den Veranstaltungsbetrieb aufrechtzuerhalten”.

Andere Bundesländer zeigen, wie nachhaltige Förderung funktionieren kann:

Hamburg erhöht 2025/26 die Clubförderung um 1,3 Mio. € – besonders kleinere Musikclubs profitieren, die so wichtige Auftrittsmöglichkeiten für

Nachwuchskünstler:innen bieten.

Mecklenburg-Vorpommern hat 2024 einen Clubgagenfonds und parallel einen Festivalgagenfonds mit jeweils 50.000 € pro Jahr eingerichtet. 2024/25 haben die Fonds bereits 269 Musiker:innen aus 78 Acts sowie 18 Festivals und 22 Musikspielstätten unterstützt.

Rheinland-Pfalz (POP RLP) unterstützte im vergangenen Jahr 217 Auftritte von Newcomer mit einer Auftrittsförderung von 25.800 €.


Sachsen braucht jetzt ein ähnliches, strukturelles Engagement!


Forderungen des Live Initiative Sachsen e.V. (LISA)

Viele unserer Forderungen decken sich mit dem dieser Anhörung zugrunde liegenden Antrag der Fraktion Die Linke, den wir in seiner Gesamtheit unterstützen und für dessen Einbringung wir uns stellvertretend für die sächsische Clubkultur bedanken möchten. Aus Sicht der Praxis möchten wir folgende zentrale Punkte:

1. Mindestens 2 % der sächsischen Kulturförderung jährlich für Clubs und Livemusikspielstätten.

2. Soforthilfeprogramm für akut von Schließung bedrohte Einrichtungen.

3. Verankerung der Clubkultur im Kulturraumgesetz – Regelförderung statt Projektförderung.

4. Investitions- und Innovationsförderung: Digitalisierung, Nachwuchsförderung, Lärmschutz, Sichtbarkeit, Netzwerkarbeit.

5. Finanzierung der Landesvertretung LISA für professionelle Netzwerkarbeit (mind. 20 h-Stelle).

6. Bundesratsinitiative für die bundesweite Anerkennung von Clubs als Kulturorte und einer entsprechenden Verankerung in der BauNVo

7. Institutionelle Nachtkulturvertretung auf Landesebene. Diese Maßnahmen müssen frühzeitig in die Haushaltsverhandlungen 2027/28

einfließen. Ohne ein Schutzschirm-Programm Clubkultur Sachsen droht ein massiver Verlust an kultureller Vielfalt, wirtschaftlicher Dynamik und Lebensqualität im Freistaat. Clubs sind relevante Wirtschaftsfaktoren und gesellschaftliche sowie kulturelle Leuchttürme. Im neuen sächsischen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD wird die Stärkung dieser Branche explizit erwünscht :

“(...) Die Clubkultur und Livemusikspielstätten wollen wir stärken und prüfen, wie wir Gründerinnen und Gründer fördern und

Rahmenbedingungen für den Betrieb verbessern können.”

Mit Blick auf die Lage der sächsischen Clubkultur folgt aus diesem Versprechen ein dringender Handlungsbedarf. Darum bitten wir den sächsischen Landtag, den Antrag der Fraktion Die Linke zu unterstützen und die genannten Punkte in die konkrete Ausgestaltung einzubeziehen.

Die Live Initiative Sachsen steht als Ansprechpartnerin zur Verfügung, wenn es um die Erarbeitung konkreter Strategien und Förderinstrumente zur Stärkung der Clubkultur in Sachsen geht – gerne in Zusammenarbeit mit dem Büro für Popkultur und Musik Sachsen (BPM Sachsen).


Herzlichen Dank.

Quellen (Auswahl)

● Kreativwirtschaftsbericht Sachsen 2022

● CLIV-Studie Leipzig 2024

● Clubstudie Initiative Musik 2021

● LISA-Umfrage 2024/25 „Der Soundtrack der Krise“

● LiveKomm-Erhebung 2023

● PM der LiveKOMM “Die Clubkultur leidet: Kostendruck bedroht kulturelle Vielfalt in Deutschland – Bundesweite Erhebung von Branchenzahlen liefert alarmierende Ergebnisse” vom 5. November 2024

● Koalitionsvertrag für die 8. Legislaturperiode des Sächs. Landtages 2024 bis 2029 Dresden, 26.09.2025


Vorstand der Live Initiative Sachsen e.V. (LISA)

Live Initiative Sachsen e.V. (LISA)

Annaberger Straße 24 | 09111 Chemnitz

www.live-in-sachsen.de | lisa@live-in-sachsen.de

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Soundtrack der Krise